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Empfehlungen zum Umgang mit Schnullern bei Säuglingen

Verabschiedet von der UNICEF-Prüfungskommission, von der Fachkommission und vom Stiftungsrat im November 2004

Empfehlungen zum Umgang mit Schnullern bei Säuglingen
Veröffentlicht in: News, Patienteninformation

Ausgangslage

Es ist unbestritten, dass ein Säugling mit einem Saugbedürfnis zur Welt kommt, das primär der Ernährung und Beruhigung an der Brust der Mutter dient. Umstritten jedoch ist, ob der Einsatz von Schnullern ursächlich einen negativen Einfluss auf das Stillen und die Stilldauer ausübt. Mittlerweile bestehen zahlreiche Studien über mögliche Vor- und Nachteile des Schnullers. Bis heute kann aber in vielen Fällen nicht eindeutig aufgezeigt werden, ob der Einsatz des Schnullers tatsächlich eine Ursache für das Auftreten gewisser Erkrankungen bzw. unerwünschter Verhaltensweisen beim Kind darstellt (Risikofaktor) oder ob der Schnuller gareinen Schutz vor gewissen Erkrankungen bietet (Schutzfaktor).

Es besteht eine eindeutige Evidenz, dass der Gebrauch von Schnullern einhergeht mit früherem Abstillen. So kann eine aktuelle Studie aus der Schweiz aufzeigen, dass das Risiko für eine frühere Beendigung des vollen (ausschließlichen und überwiegenden) Stillens sowie für das frühere Abstillen mit dem Gebrauch des Schnullers während des Wochenbetts assoziiert ist. Inverschiedenen Studien konnte zudem gezeigt werden, dass Kinder mit Schnuller häufiger nicht gestillt werden. Möglicherweise aber ist der Einsatz von Schnullern nicht Ursache für verkürztes oder kein Stillen. Der Einsatz von Schnullern könnte vielmehr von Stillschwierigkeiten oder reduzierter Motivation zum Stillen abhängen, was wiederum die Entscheidung zu stillen und die Dauer des Stillens negativ beeinflusst. Dementsprechend konnte gezeigt werden, dass ein sehr gutes Stillmanagement und eine hohe Motivation der Mutter zum Stillen das tatsächliche Stillverhalten verbessern, unabhängig davon, ob ein Schnuller verwendet wurde. Der Gebrauch des Schnullers ist möglicherweise Indikator aber nicht Ursache für verkürzte Stilldauer.

Aufgrund klinischer Beobachtungen in der Stillberatung ist es wünschenswert, auf den Schnullerzu verzichten, bis das Baby ein effektives, stabiles und problemloses Saugverhalten an der Brust entwickelt hat. Denn Ultraschallaufnahmen zeigen, dass sich die Technik des Saugens am Schnuller stark von der Technik des Saugens an der Brust unterscheidet. In Fachkreisen der Still- und Laktationsberatung wird zudem argumentiert, das Saugen am Schnuller reduziere die Milchbildung/Milchmenge, das nutritive sowie nonnutritive Verhalten an der Brust sowie die Anwendung äußerst wichtiger alternativer Methoden des Trostes/der Beruhigung wie Körperkontakt oder verschiedene Formen der Kommunikation mit dem Kind. Während der Entwicklungsschübe von Säuglingen im Alter von ca. 6 und 12 Wochen, bei denen sich das Bedürfnis des Kindes nach Muttermilch sprunghaft erhöht, wird zudem beobachtet, dass der Einsatz des Schnullers die sensible Balance zwischen Angebot und Nachfrage von Muttermilch empfindlich stört.

Wiederholt bestätigt wurde das erhöhte Risiko von Kiefer- und Zahndeformationen sowie von fehlerhaften Lautbildungen bei regelmäßigem Einsatz des Schnullers über mehr als zwei Jahre. Dies gilt auch für Schnuller, die als „kiefergerecht“ bezeichnet werden. Bezüglich Mittelohrentzündungen kann gezeigt werden, dass deren Auftreten mit dem Einsatz von Schnullern einhergeht. Ob der Schnuller aber tatsächlich eine Ursache für Mittelohrentzündungen darstellt, bleibt unklar. Infektionen und Atemwegserkrankungen scheinen bei Kindern mit Schnullern häufiger aufzutreten.

Es besteht bis heute keine eindeutige Evidenz, dass der Einsatz von Schnullern während der Schlafenszeit protektiv gegen den plötzlichen Kindstod (SIDS) wirkt. Einige wenige Studien konnten einen äußerst schwachen schützenden Effekt aufzeigen. Tatsache ist, dass in der Schweiz wie auch in Deutschland die Zahl der durch den plötzlichen Kindstod verstorbenenS äuglinge in den vergangenen Jahren stark reduziert werden konnte und der plötzliche Kindstod nur noch äußerst selten vorkommt. Dementsprechend sind die Meinungen über den Einsatz von Schnullern zur Prävention von SIDS geteilt.

 

 

Folgerungen und Empfehlungen

Die obigen Ausführungen zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass bisher keine eindeutigen gesundheitlichen Vorteile des Schnullers gefunden werden konnten. Insbesondere der Einsatz des Schnullers während der ersten Wochen nach der Geburt sowieder längere und regelmäßige Einsatz des Schnullers können negative gesundheitliche Entwicklungen zur Folge haben. Aufgrund der insgesamt eher negativen Auswirkungen des Schnullers werden in Anlehnung an die Richtlinien von WHO und UNICEF folgende Empfehlungen für gesunde Säuglinge ausgesprochen:

  • Auf Flasche und Schnuller soll so lange verzichtet werden, bis das Trinken an der Brust problemlos funktioniert und das sensible Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage nach Muttermilch etabliert ist. Konkret wird empfohlen, die ersten vier bis sechs Wochen gänzlich auf künstliche Sauger wie Schnuller und Flasche zu verzichten.
  • Danach kann der Schnuller allenfalls begrenzt und gut begründet eingesetzt werden, um bereits gestillte, nicht mehr hungrige Kinder zu beruhigen und wenn andere Methoden desTrostes und der Beruhigung wie Körperkontakt, verschiedene Formen der Kommunikation, Wiegen etc. erfolglos bleiben. Vom unreflektierten und routinemäßigen Einsatz von Schnullern ist abzuraten.
  • Spätestens im Alter von 2 Jahren sollte der Schnuller, auch der so genannt „kiefergerechte Schnuller“, dem Kind vollständig abgewöhnt werden, um die Entwicklung von Gebissanomalien zu verhindern.
  • Eltern, Betreuungs- und Fachpersonen sollen über Vor- und Nachteile sowie die richtige Handhabung des Schnullers aufgeklärt werden. Die Entscheidung für oder gegen den Einsatz eines Schnullers ist den Eltern zu überlassen. Zentral ist jedoch die korrekte undvollständige Aufklärung der Eltern idealerweise mittels eines Merkblatts und/oder Diskussion des Themas in Geburtsvorbereitung, Wochenbett und Stillberatung.
  • Der Einsatz von Schnullern in Geburtskliniken weckt bei den Eltern den Eindruck, dass deren Verwendung völlig unbedenklich ist und der Normalität entspricht, was Eltern im späteren unreflektierten Einsatz von Saughilfen unterstützt. Die Geburtsklinik hat eine Vorbildwirkung und sollte sich dessen bewusst sein. Dementsprechend wird Geburtskliniken empfohlen, äußerst sparsam und bewusst mit dem Einsatz von Schnullern umzugehen.
  • In Kliniken wird auf die Werbung für Schnuller und Flaschen verzichtet. Es liegen keine Schnuller und Flaschen in der Klinik herum.

 

Quellen: Adair S.M. (2003). Pacifier Use in children: A Review of Recent Literature. Pediatric Dentistry:25 (5), 449–458.Carpenter R.G., Irgens L.M., Blair P.S., England P.D., Fleming P., Huber J., Jorch G. & Schreuder P. (2004). Sudden unexplained infant death in 20 regions in Europe: case controlstudy. Lancet: 363, 185–191.Dratva J. & Merten S. (2004). Säuglingsernährung in den ersten 9 Lebensmonaten. Nationale Studie 2003. Basel: Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Basel.Kramer S.M., Barr R.G., Dagenais S., Yang H., Jones P., Ciofani L. & Jané F. (2001). Pacifier Use, Early Weaning, and Cry/Fuss Behavior. A Randomized Controlled Trial. Jama: 286 (3), 322–326.Schubiger G., Schwarz U. & Tönz O. (1997). UNICEF/WHO baby-friendly hospital initiative: does the use of bottles and pacifiers in the neonatal nursery prevent successful breastfeeding? European Journal of Pediatrics: 156, 874–877.

Titelbild: iStock/dragana991